Gender

Zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Geschlechtseintrages

Die Bundesministerien für Justiz und Verbraucherschutz sowie des Innern, für Bau und Heimat haben einen Entwurf zur Neuregelung der Änderung des Geschlechtseintrages vorgelegt. Wir haben dazu eine Stellungnahme abgegeben.

Der Deutsche Bundesjugendring (DBJR) als Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände und Jugendringe vertritt die Interesse von mehr als sechs Millionen Kindern und Jugendlichen. Im Interesse der Jugend nehmen wir Stellung zum vorliegenden Referentenentwurf vom 8. Mai 2019 zur Neuregelung der Änderung des Geschlechtseintrages.

Wir üben zunächst deutlich Kritik am Verfahren: Eine Frist von 48 Stunden ist nicht akzeptabel und erschwert enorm die Mitwirkung. Wir haben uns dennoch zu einer Stellungnahme entschlossen, weil wir den vorliegenden Entwurf weitgehend ablehnen.

Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach in seinen Entscheidungen einzelne Bestimmungen des 1981 in Kraft getretenen Gesetzes über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen für verfassungswidrig erklärt. Im Rahmen der Arbeit der Interministeriellen Arbeitsgruppe Intersexualität/Transsexualität in den Jahren 2014 bis 2017 wurden eine Reihe von Gutachten zur Verbesserung der rechtlichen Lage von Trans*-Personen erstellt. Vor diesem Hintergrund ist grundsätzlich erfreulich, dass nunmehr so genannte Transsexuellengesetz (TSG) durch einzelgesetzliche Regelungen ersetzt und reformiert werden soll.

Der vorliegende Referentenentwurf schafft aber nur einige wenige Verbesserungen im Vergleich mit dem bisher geltenden TSG, nämlich:

  • Die Geschlechtseinträge „divers“ und die Streichung des Geschlechtseintrags sollen ganz regulär auch trans* Leuten zur Verfügung stehen. Das Offenbarungsverbot soll auch inter* Personen Schutz bieten.
  • Ausländer*innen in Deutschland können das Gesetz auch in Anspruch nehmen. Sie müssen nicht mehr nachweisen, dass es in ihrem Heimatland keine vergleichbare Regelung gibt. Gleichermaßen können Deutsche, die im Ausland wohnen, auch das Verfahren im Ausland in Anspruch nehmen.
  • Trans* und inter* Personen haben einen Anspruch auf Beratung, kostenfrei und auf Wunsch auch anonym. 250 Vollzeitstellen für Trans* und Inter*-Beratung sollen in Deutschland geschaffen werden und dauerhaft vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend finanziert werden.

Diese Punkte sind positiv. Insgesamt bleibt der Entwurf aber weit hinter den Forderungen der Verbände und den internationalen Standards zurück. Eine Orientierung an beispielgebender Gesetzgebung in anderen Ländern (zum Beispiel Argentinien oder Malta) wäre wünschenswert.

Der vorgelegte Entwurf hat einige gravierende Lücken und Mängel, die sich negativ auf die Diskriminierungslage und Lebenszufriedenheit von Trans*- (und Inter*-)Menschen auswirken können. Der Entwurf schafft eine Ungleichbehandlung von trans* und inter* Menschen. Stellenweise verschärft der Entwurf aus unserer Sicht die bestehende Gesetzeslage, statt sie zu verbessern. Eine Förderung der Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag leistet dieser Entwurf nicht.

Aus unserer Sicht sind folgende Punkte besonders zu kritisieren:

  • Zuständigkeit: Das Verfahren verbleibt beim Amtsgericht statt in die Zuständigkeit der Standesämter überzugehen.
  • Voraussetzungen (§19 BGB): Die Bezugnahme auf das Körperbild der antragstellenden Person ist ohne Rechtsbezug und ohne Sachgrundlage, ebenso die unter §19 (1) aufgeführten Voraussetzungen.
  • Zwangs-Beratung: Die Begutachtung wird de facto nicht abgeschafft. Zwar wird die Anzahl der einzureichenden Bescheinigungen von zwei auf eins reduziert. Weil die „Beratungsbescheinigung“ laut GIBG aber nicht nur bescheinigt, dass eine Beratung stattgefunden hat, sondern Aussagen über die zu beratende Person trifft, handelt es sich nicht um eine Beratung, sondern um eine Begutachtung.
  • Qualifikation der Beratenden: Die geforderten Qualifikationen schließen Fachkräfte psychosozialer Beratungsstellen aus. Das ist faktisch ein Ausschluss aller bestehenden Fachberatungsstellen.
  • Anhörung des Ehegatten: §409d stellt eine massive Verschlechterung ohne Sachgrundlage im Vergleich zum TSG dar.
  • Minderjährige ab 14 Jahren: Sie können einen Antrag nur mit Zustimmung der Eltern stellen, bei Weigerung dieser nur mit Zustimmung des Familiengerichts.
  • Elternschaft: Mit §20(2) BGB wird weiter die Anerkennung der Elternschaft im rechtlichen Geschlecht verweigert. Kinder von Personen, die ihren Geschlechtseintrag ändern lassen, wird damit nach wie vor eine ihrer Lebensrealität entsprechende Beurkundung verweigert.
  • Erneute Antragstellung: Die Vorgabe nach §409g entbehrt jeder Sachgrundlage.
  • Gebührenerhebung: Nach GNotKG und dem Auffangwert von § 36 GNotKG ergibt sich eine deutlich höhere Gebühr, als die für die Änderung des Geschlechtseintrags vor dem Standesamt anfallende. Dies verstößt als Ungleichbehandlung gegen Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG.
  • Offenbarungsverbot: Es gibt keine Verbesserung der Rechtslage gegenüber dem bestehenden TSG. Ein wirksamer Schutz vor ungewollter Offenbarung ist weiterhin nicht gegeben.

Ergänzend zu diesen Punkten: Im Entwurf wird gleich zu Beginn der Begriff „Transgeschlechtlichkeit“ als das Abweichen der Geschlechtsidentität einer Person von ihrem eindeutig weiblichen oder männlichen Körperbild bezeichnet. Es gibt aber weder medizinische noch sonstige Quellen, die diese Definition belegen oder herleiten. Der Bezug auf das „Körperbild“ war niemals ein Kategorisierungsmerkmal. Körperbild ist ein psychologisches Konstrukt der eigenen Einschätzung des Körpers.

Hinzu kommt, dass der Aussage „die zwar ein biologisch eindeutiges Geschlecht haben“ sämtlicher Intersex- und andere Trans-/Gender Forschung widerspricht, die eine Fluidität und das Spektrum von körperlichen Ausprägungen von Geschlechtlichkeit betonen – und dass eine zweigeschlechtlich organisierte Gesellschaft Menschen zu inter* macht (nicht, dass sie inter* sind).

Die beiden Punkte stehen dafür, mit welcher Perspektive der Entwurf verfasst wurde und erklärt, warum Änderungsbedarf besteht.

 

Themen: Gender