Jugendpolitik

Junge Menschen in Ostdeutschland

Die DBJR-Vollversammlung hat am 24./25. Oktober 2008 die Position „Junge Menschen in Ostdeutschland brauchen bessere Lebensverhältnisse“ beschlossen:

Die Kinder- und Jugendhilfestatistik zeigt für die letzten Jahre massive Einbrüche in der Jugendförderung. Die folgende Stellungnahme widmet sich insbesondere den Problemlagen der Kinder und Jugendlichen in Ostdeutschland, da vor allem sie von Kürzungen innerhalb der Jugendhilfe betroffen sind. Diese Einschnitte verschärfen dort ohnehin im höheren Maße bestehende Belastungen für junge Menschen. Die Politik ist aufgefordert, aktiver als bislang auf die durch das Grundgesetz geforderte Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse hinzuwirken. Dabei muss auch die Jugendförderung in den Blick genommen werden.

Entwicklung der Förderung in der Kinder- und Jugendarbeit

Die Struktur der Kinder- und Jugendarbeit Ostdeutschlands war in den Jahren nach der Wiedervereinigung von einem starken Nachholbedarf geprägt, der sich auch in entsprechenden Zuwächsen der öffentlichen Förderung zeigte. Als wichtiger Meilenstein ist hier das Bundesprogramm zum Aufbau freier Träger zu nennen. Den Zenit erreichte und überschritt diese Entwicklung 2002. So war z. B. in Relation zur entsprechenden Bevölkerung in den östlichen Bundesländern eine zumindest quantitativ besser ausgestattete Kinder- und Jugendarbeit zu konstatieren. So konnten pro 100.000 der 12- bis 21-Jährigen 247 Einrichtungen statistisch ermittelt werden, rund 30 % mehr als im selben Zeitraum in Westdeutschland. Dies spiegelte sich auch in der personellen Ausstattung, die mit 44 Vollzeitäquivalenten um ca. 25 % höher lag als in Westdeutschland.

Selbst zur Zeit dieses Höhepunktes führte diese personelle Ausstattung nicht dazu, dass für junge Menschen in Ostdeutschland die Leistungen der Kinder- und Jugendarbeit im selben Maße vorgehalten wurden wie in Westdeutschland: So wurden 2004 bundesweit pro 10.000 der 12- bis 21-Jährigen 104 Maßnahmen ausgewiesen, davon jedoch in den östlichen Bundesländern nur 72 im Verhältnis zu 111 in Westdeutschland. Noch deutlicher wird diese Diskrepanz bei den Teilnehmern/innen an diesen Maßnahmen. Wurden im Westen pro 100 der genannten Bevölkerungsgruppe 42 Personen gezählt, so sind dies im Osten lediglich 27 Personen. Diese Zahlen zeigen deutlich, dass zum Aufbau einer leistungsfähigen Infrastruktur der Kinder- und Jugendarbeit mehr gehört als die personelle Ausstattung. Vor allem der Aufbau leistungsfähiger ehrenamtlicher Strukturen ist ein Prozess, der sich über Jahre entwickeln muss.

Nach dem Jahr 2002 kam es in ganz Deutschland zu einer Stagnation der Ausgaben der Jugendförderung, die ab 2004 zunächst in einen deutlichen und seither immer massiver werdenden Rückgang übergeht. 2004 sind die Ausgaben der gesamten Kinder- und Jugendhilfe in den östlichen Ländern um 1,2 % bzw. preisbereinigt sogar um 2,7 % zurückgegangen. Der deutlichste Rückgang ist dabei in der Kinder- und Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit mit 3,7 % zu verzeichnen gewesen. In Spitzen – etwa in Sachsen – kam es zu Ausgabenreduzierungen in der Kinder- und Jugendarbeit um 50 % in sieben Jahren. Diese Ausgabenreduzierungen trafen eine Kinder- und Jugendarbeit, die sich nach beschleunigten Aufbauprozessen noch nicht voll konsolidiert hatte und nun die eben erst entwickelte Infrastruktur radikalen Ab- und Umbauprozessen unterziehen musste. So wurde im Rahmen der Evaluation der „Rechtsextremismusprogramme“ (insbesondere des CIVITAS-Programmes) festgestellt, dass es in einigen Regionen Ostdeutschlands überhaupt keine Regel-Struktur der Kinder- und Jugendarbeit gab, auf das die entsprechenden Projekte hätten aufbauen können.[1]

Begründet wurden diese Einschnitte in vielen Ländern mit der demographischen Entwicklung. Angesichts der zurückgehenden Zahlen der Kinder und Jugendlichen durch die massiven Einbrüche der Geburtenrate nach der Wiedervereinigung (s. u.) müsste auch die Jugendförderung entsprechend mitschrumpfen. Eine solche Argumentation verkennt, dass die Ausgaben für eine bedarfsgerechte Infrastruktur der Kinder- und Jugendarbeit nur indirekt mit der Zahl der „zu versorgenden“ jungen Menschen zusammenhängt. Eine leistungsfähige Infrastruktur setzt z. B. auch Angebote im sozialen Nahraum von Kindern und Jugendlichen voraus. Ein Angebot, wie z. B. einen Jugendclub zu betreiben, verlangt aber ein Mindestmaß an Personal, ganz egal, ob im Dorf noch 50 oder über 100 junge Menschen seine Angebote nutzen. Gerade mit Blick auf die ländlichen und strukturschwachen Regionen Ostdeutschlands, die fast durchgehend sowohl von Abwanderung wie Geburtenrückgang geprägt sind, verrät eine solche Argumentation eine ignorante Haltung gegenüber den hier lebenden jungen Menschen.

Das ganze Ausmaß dieser Entwicklung wird durch die Auswertung der Kinder- und Jugendhilfestatistik vom Juni 2008 deutlich: Zwischen 1998 und 2006 ist das Stellenvolumen in Ostdeutschland um 51 % zurückgegangen (zum Vergleich: Westdeutschland 36 %). Dieser Rückgang liegt sogar noch über dem demographischen Rückgang der Zahl junger Menschen in Ostdeutschland. Deren Zahl ist im selben Zeitraum „nur“ um 29 % zurückgegangen. Diese Entwicklung muss man als Kahlschlag bezeichnen.[2]

Im Kinder- und Jugendhilfegesetz ist nicht abschließend geregelt, was unter einer „bedarfsgerechten“ Förderung der Kinder- und Jugendarbeit zu verstehen ist. § 11 Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) formuliert jedoch einen Anspruch aller jungen Menschen auf die „erforderlichen“ Angebote der Kinder- und Jugendarbeit, § 12 KJHG formuliert darüber hinaus einen Anspruch aller Jugendverbände auf eine Förderung ihrer Tätigkeit. Beides zusammen impliziert eine öffentliche Förderung eines flächendeckenden, pluralen Angebotes der Kinder- und Jugendarbeit. Die o.g. Zahlen offenbaren, dass hiervon in Ostdeutschland nicht die Rede sein kann.

Prekäre Lebenslagen junger Menschen im Osten

Auch 20 Jahre nach der Wiedervereinigung prägen in vielen Regionen kumulierende wirtschaftliche und demographische Probleme die Lebenssituation junger Menschen. In diesem Kontext müssen die Einschnitte als eine weitere überdurchschnittliche Belastung für junge Menschen in Ostdeutschland verstanden werden.

So liegt die Arbeitslosenquote junger Menschen in Ostdeutschland im Sommer 2008 mit 11,4 % doppelt so hoch wie die junger Menschen in Westdeutschland mit 5,1 % [3]. Seit Jahren ist die Jugendarbeitslosigkeit ein massives Problem in Ostdeutschland; so sind nicht nur mehr junge Menschen in Ostdeutschland arbeitslos, sie sind es auch länger. Im Osten sind 30,8 % länger als 6 Monate ohne Arbeit[4]. Ein Drittel der jungen Arbeitslosen in Deutschland lebt in den östlichen Ländern.

Für einen zu großen Teil der jungen Menschen fehlt in Ostdeutschland die Perspektive einer gelingenden Integration ins Erwerbsleben. So erhalten nach wie vor viele junge Menschen in Ostdeutschland keinen Ausbildungsplatz. Die Situation am Ausbildungsmarkt hat sich 2008 zwar gegenüber den Vorjahren verbessert, ist aber gerade für junge Menschen in Ostdeutschland nach wie vor unzureichend. Von einem durch das Bundesverfassungsgericht beschriebenes auswahlfähiges Angebot von 112,5 Ausbildungsstellen bei 100 Bewerbern und Bewerberinnen kann nicht die Rede sein. So standen 100 jungen Menschen, die in Ostdeutschland auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz waren, lediglich 79 Ausbildungsstellen zur Verfügung. Auch in Westdeutschland war die Situation mit 83 zu 100 bei weitem nicht zufriedenstellend[5]. Bezieht man die jungen Menschen, die sich in Warteschleifen befinden, in diese Berechnungen ein, so kann die Ausbildungsplatzsituation endgültig als inakzeptabel bezeichnet werden. Aber auch nach erfolgreichem Abschluss einer Ausbildung schaffen viele den Einstieg ins Erwerbsleben nicht. Etwa 240.000 jungen Menschen, die bis 2011 noch auf den ostdeutschen Arbeitsmarkt drängen, stehen nur 25 bis 50 % an Abgängen Älterer in Rente gegenüber. Bis zu 25 % der jungen Menschen sind mit dieser Perspektive vor Augen nach Westdeutschland abgewandert. Nach den demographischen Daten wird dies bis 2011 anhalten.[6] Dies waren vor allem gut qualifizierte Frauen. Die Intensität dieser Entwicklung wird auch dadurch deutlich, dass es einen relevanten Frauen-Unterschuss quasi nur in Ostdeutschland gibt.[7]

Auch von relativer Armut[8] sind junge Menschen in Ostdeutschland deutlich höher betroffen als in Westdeutschland: 30,3 % der jungen Menschen unter 15 Jahren sind in Ostdeutschland von staatlichen Institutionen abhängig (im Vergleich zu 13,8 % in Westdeutschland).[9] 

Ihre Ursache hat die problematische Situation in den anhaltenden wirtschaftlichen Problemen in Ostdeutschland. Eine Bewertung nach ökonomischen Faktoren ergibt, dass nahezu alle Landkreise mit unterdurchschnittlichen ökonomischen Perspektiven in Ostdeutschland liegen.[10] Dem entspricht eine prekäre Situation der öffentlichen Haushalte, die sich sowohl in einem rapide anwachsenden Schuldenstand (Ende 2005 90 % der Vergleichswerte Westdeutschlands) und vor allem einer hochgradigen Abhängigkeit von Transferleistungen aus Finanzausgleichen und dem Solidarpakt II (50 % der Primäreinnahmen im Vergleich zu 10 % in Westdeutschland).[11] Die Perspektive eines Auslaufens dieser Zahlungen 2020 kann daher bereits heute als sehr schwierig eingeschätzt werden.

Die Situation vieler Regionen in Ostdeutschland ist schließlich durch massive demographische Einbrüche gekennzeichnet. Regionen mit 25 und weniger Einwohnern/innen je Quadratkilometer und anhaltendem Bevölkerungsschwund gibt es bereits heute nur in Ostdeutschland.[12] Die Zahl der Schulabgänger/innen in Ostdeutschland wird 2013 mit 139.000 prognostiziert – im Vergleich zu ca. 247.000 im Jahr 2007.[13] Eine bedarfsgerechte Umstrukturierung der öffentlichen Infrastrukturen – auch im Kinder- und Jugendbereich – an diese Bevölkerungsrückgänge ist eine erhebliche Herausforderung und auch wirtschaftliche Belastung.

Viele dieser Probleme – Armut, berufliche Perspektivlosigkeit, wirtschaftliche Schwäche und damit einhergehende Schwäche öffentlicher Finanzen, demographische Rückgänge und Abwanderung – sind keine spezifisch ostdeutschen Probleme. Auch strukturschwache Räume Westdeutschlands sind von ihnen betroffen. Die Lebenssituation junger Menschen in Regionen mit wirtschaftlichen und strukturellen Schwächen muss generell in den Blick genommen werden. Weil diese Regionen jedoch überwiegend in Ostdeutschland verortet und für Ostdeutschland typisch sind, muss diese Problemkonstellation darüber hinaus auch als eine spezifisch ostdeutsche begriffen und unter diesem Fokus bearbeitet werden.

Letztlich sind alle diese Probleme ökonomisch bedingt oder zumindest entscheidend verschärft. Gerade dies entlastet Politik nicht von ihrer Verantwortung, im Gegenteil: Wer darauf wartet, dass ein wirtschaftlicher Gesundungsprozess die Probleme quasi „von alleine“ löst, entzieht sich der politischen Verantwortung. Die unsicheren wirtschaftlichen Perspektiven zwingen vielmehr zu der Frage, was die Politik tun kann, um den betroffenen jungen Menschen gleichwertige Lebenschancen auch in diesen Regionen zu gewähren. 

Die Möglichkeiten durch Investitionen, arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, Wirtschaftsförderung und auch Transfers zur Absicherung einer angemessenen Infrastruktur von Leistungen der Daseinsvorsorge müssen voll ausgeschöpft werden, um jungen Menschen in Ostdeutschland so viele Teilhabemöglichkeiten wie möglich zu gewähren.

Bedarfsgerechte Angebote der Kinder- und Jugendarbeit sind als Teil der Daseinsvorsorge zwar entsprechend rechtlich verankert, die prekäre finanzielle Lage hindert aber offensichtlich viele lokale und regionale öffentliche Träger daran, durch eine bedarfsgerechte Förderung angemessene Angebote zu gewährleisten. Hier ist dringend politische Abhilfe geboten: Auf Bundesebene festgelegte Leistungen müssen auch ohne individualrechtliche Absicherung verlässlich vorgehalten werden. Die Finanzausgleichssysteme zwischen Bund, Ländern und leistungsstarken und weniger leistungsstarken Kommunen müssen eine für alle verantwortlichen Ebenen finanzielle Ausstattung vorhalten, die diese in die Lage versetzen, das auszuführen, was der Gesetzgeber auf Bundesebene im Rahmen seines Auftrages, für gleichwertige Lebensbedingungen zu sorgen, festgelegt hat.

Gesellschaftliche und politische Teilhabe

Zwischen Ost- und Westdeutschland sind, auch was die gesellschaftliche und politische Teilhabe im engeren Sinne angeht, relevante Unterschiede zu konstatieren. Die Unterschiede liegen zum einen in den dargestellten Besonderheiten und spezifischen Problemlagen begründet, zum anderen dürfte jedoch auch die unterschiedliche geschichtliche Entwicklung hier eine Rolle spielen.

Zunächst ist der Grad der Einbindung in gesellschaftliche Organisationen zwischen Ost- und Westdeutschland unterschiedlich. In Westdeutschland sind 58 % der Jugendlichen in traditionellen Organisationen engagiert, im Osten 42 %.[14] Auch das freiwillige Engagement ist im Osten weniger stark ausgeprägt. Der zweite Freiwilligensurvey weist für Ostdeutschland eine Aktiven-Quote von 30 % bei den 14- bis 24-Jährigen aus (im Vergleich Westdeutschland: 38 %).[15] Es ist bekannt, dass gesellschaftliche Einbindung, Bildungsgrad und soziale Sicherheit wesentliche Voraussetzungen für ein gesellschaftliches Engagement sind. Vergegenwärtigt man sich das Maß, in dem die Voraussetzungen jungen Menschen in Ostdeutschland fehlen, so ist die Engagementquote sogar noch als erfreulich hoch zu bewerten.

So deutet sich ein Bild an, beim dem neben den deutlich schlechteren Möglichkeiten der jungen Menschen in Ostdeutschland zu einer adäquaten materiell-ökonomischen Teilhabe auch eine deutlich schlechtere soziale und gesellschaftliche Teilhabe im engeren Sinne gegenübersteht. In Ostdeutschland ist rund die Hälfte der Bürger/innen unzufrieden mit der Demokratie – dieser Wert zieht sich durch alle Altersgruppen und unterscheidet die junge Generation nicht von den anderen Bürgern/innen.[16] Mit dieser Unzufriedenheit korrelieren Extremismusindikatoren, etwa „Nationalstolz“[17] oder „eine kritische Haltung zu Ausländern/innen“. Die Wahlerfolge rechtsextremistischer Parteien und insbesondere die organisatorischen Erfolge der NPD sprechen hier eine deutliche Sprache.

Rechtsextreme Parteien und deren Vorfeldstrukturen profitieren im Jugendbereich massiv von der Schwäche der Zivilgesellschaft in Ostdeutschland. Es ist seit langem bekannt, dass der Wegfall im Bereich intermediärer Organisationen[18], insbesondere der Jugendorganisationen, nach der Wiedervereinigung ein Vakuum hinterließ, das vielfach den Ort für informelle rechtsextreme Gruppierungen bot. Dies bekommt nun eine neue Qualität, denn in die Lücken, die etwa durch den Kahlschlag an Angeboten der demokratischen Kinder- und Jugendarbeit entsteht, drängen nun vermehrt in einer abgestimmten Strategie rechtsextreme Organisationen, die danach streben, im Vorfeld der politischen zunächst die sozialen Räume zu besetzen. Beispiele hierfür sind neben rechtsradikalen Cliquen die Übernahme von Jugendclubs oder das Vorhalten von Freizeitangeboten durch Initiativen aus dem Umfeld rechtsextremer Parteien oder die Gründung rechtsextremer Jugendorganisationen wie „Heimattreue deutsche Jugend“. Schließlich sind die Organisationen der Zivilgesellschaft durch Versuche Rechtsextremer, sie gezielt zu unterwandern, herausgefordert.

Vor diesem Hintergrund sind die massiven Kürzungen in der Jugendförderung Ostdeutschlands doppelt fatal. Auch die Umstellung der Förderprogramme der Bundesregierung zur Bekämpfung extremistischer Strömungen, die dazu geführt hat, dass Jugendverbände wegen der geforderten Eigenanteile von 50 % nur noch in Ausnahmefällen an ihnen partizipieren können, bleibt ein jugendpolitischer Skandal.

Forderungen

Zusammenfassend ist festzustellen, dass junge Menschen in den ostdeutschen Bundesländern erheblichen Benachteiligungen ausgesetzt sind. Die Politik ist aufgefordert, allen jungen Menschen ausreichende Teilhabe- und Zukunftschancen zu eröffnen. Die Politik muss ihre Gestaltungsmöglichkeiten deutlich weiter ausschöpfen. Dies betrifft insbesondere die Bundesebene, die zur Schaffung gleichwertiger Lebenssituationen in ganz Deutschland aufgefordert ist.

Deshalb fordert der Deutsche Bundesjugendring:

  • Für junge Menschen muss auch weiterhin eine verlässliche Infrastruktur von Bildungs- und Ausbildungsangeboten, sozialen Einrichtungen und einer ausreichenden allgemeinen Infrastruktur zur Verfügung stehen. Dazu gehört auch die Kinder- und Jugendarbeit. Die örtlichen und überörtlichen Träger müssen die im KJHG niedergelegten Rechtsansprüche im Interesse junger Menschen und als wichtigen Beitrag zur eigenen Zukunftsfähigkeit ernst nehmen und verwirklichen.
  • Auch zukünftig sind leistungsfähige Systeme des Finanztransfers erforderlich, um die Herausforderungen, die sich insbesondere aus dem andauernden wirtschaftlichen Anpassungsprozess und dem demographischen Wandel ergeben, bewältigen zu können. Dies darf nicht den ostdeutschen Ländern und erst recht nicht einzelnen Kommunen überlassen werden, die hiermit überfordert wären.
  • Die Möglichkeiten durch Investitionen, arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, Wirtschaftsförderung und auch Transfers zur Absicherung einer angemessenen Infrastruktur von Leistungen der Daseinsvorsorge müssen voll ausgeschöpft werden.
  • Arbeitsmarktpolitisch sind auch weiterhin besondere Anstrengungen erforderlich, jungen Menschen Ausbildungsmöglichkeiten und Berufsperspektiven zu schaffen. Dies betrifft insbesondere auch Möglichkeiten der außer- und überbetrieblichen Ausbildung.
  • Im Bereich der Jugendförderung muss die aktuelle Entwicklung des Kahlschlags umgedreht werden. Junge Menschen haben einen Anspruch auf bedarfsgerechte Angebote der Kinder- und Jugendarbeit. Diese Angebote sind jedoch auch mit Blick auf soziale Desintegrationsprozesse und politische Radikalisierungstendenzen gesellschaftlich dringend erforderlich.
  • Konkrete Fördermaßnahmen zur Stärkung der ostdeutschen Struktur und zur Bewältigung der notwendigen Anpassungsprozesse müssen ergriffen werden, um die erheblichen strukturellen, finanziellen und konzeptionellen Herausforderungen für die Kinder- und Jugendarbeit und die Jugendverbände hinsichtlich der rapiden demographischen Umbrüche meistern zu können. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat als Oberste Jugendbehörde hier eine Impuls- und Anregungsfunktion, die sich nicht nur auf kurzlebige Projektförderung konzentriert.

Von der 81. Vollversammlung des Deutschen Bundesjugendrings am 24./25.10.2008 in Berlin bei einer Gegenstimme beschlossen.

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[1] Lynen van Berg und Palloks, CIVITAS – Evaluierung eines Modellprogramms, 2005

[2] Quelle aller Zahlen: Amtliche Kinder- und Jugendhilfestatistik, zitiert nach: Kommentierte Daten der Kinder- und Jugendhilfe, Informationsdienst der Dortmunder Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik, AKJStat

[3] Statistik der Bundesagentur für Arbeit

[4] Jugendarbeitslosigkeit – ein ungelöstes Problem, DGB-Jugend, 2006

[5] Bundesagentur für Arbeit: Bewerber und Berufsausbildungsstellen Berichtsjahr 2007/08.

[6] Wachsende Jugendarbeitslosigkeit in Ostdeutschland, Thüneninstitut, 2006

[7] Die demographische Lage der Nation, Berlin Institut, 2006

[8] Von relativer Armut ist betroffen, wessen bedarfsgewichtetes Nettoäquivalenzeinkommen weniger als 60 % des Mittelwertes (Median) aller Personen der Vergleichsgruppe beträgt.

[9] Statistik der Bundesagentur für Arbeit, 2008

[10] vgl. Die demographische Lage der Nation; Berlin Institut, 2006

[11] vgl. Demographische Entwicklung in Ostdeutschland, Forschungsauftrag des BMWi

[12] Berlin Institut, w. v.

[13] Bundesagentur für Arbeit 2008

[14] vgl. Gille, Martina u. a.: Jugendliche und junge Erwachsene in Deutschland. Wiesbaden, 2006

[15] vgl. 2. Freiwilligensurvey der Bundesregierung, 2005

[16] vgl. antidemokratische Potentiale, Bundesministerium für Bildung und Forschung, 2001

[17] Nationalstolz begründet sich auf dem Gefühl nationaler Identität. Durch den Stolz erfährt das Objekt des Stolzes, nämlich die Nation, eine Erhöhung ihres Wertes. Diese Erhöhung des Wertes der Nation ist aber in mehrfacher Hinsicht problematisch –siehe dazu u.a. Arvid Neumann, „Ich bin stolz darauf, ein Deutscher zu sein.“ Eine interdisziplinäre Analyse des Nationalstolzes; Psychologisches Institut der Universität Heidelberg, 2005

[18] Organisationen die zwischen der (politisch interessierten) Bevölkerung auf der einen und dem eigentlichen Regierungssystem auf der anderen Seite zwischengeschalteten sind. Sie dienen generell der Vermittlung zwischen Bürger und Politik und übernehmen daher eine wichtige Rolle zur Transformation politischer Inhalte und Entscheidungen zwischen der gesellschaftlichen und der politischen Ebene. (siehe z. B.: Niedermayer, Oskar 2005: Bürger und Politik, 2.Auflage, Opladen, Westdeutscher Verlag. ISBN 3531148451

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