Internationale Jugendpolitik

Internationale Jugendarbeit stärken!

Die DBJR-Vollversammlung hat am 27./28. Oktober 2017 die Position „Internationale Jugendarbeit stärken!“ beschlossen:

Internationale Jugendarbeit leistet einen wichtigen Beitrag zur internationalen Verständigung und ist ein Zeichen von zivilgesellschaftlichem Engagement. Internationale Jugendarbeit findet unabhängig von der derzeitigen politischen Lage zwischen den Staaten statt. Internationale Jugendarbeit kann dadurch auch die Außenpolitik der Bundesregierung konstruktiv begleiten. Andererseits kann die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland durch die Förderung von Internationaler Jugendarbeit politische Prozesse auf der Ebene der Zivilgesellschaft positiv beeinflussen. Gerade durch den internationalen Jugendaustausch wird ein gemeinsames Verständnis für die unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Sichtweisen vermittelt.

Jugendverbände stehen für werteorientierten Gruppenaustausch auf Augenhöhe mit Partnern in anderen Ländern. Das unterscheidet uns von touristischen Anbietern von Jugendreisen. Die Lebenswelt von Jugendlichen ist Ausgangspunkt und Gegenstand von Bildungsprozessen, die in der Internationalen Jugendarbeit angestoßen werden. Vor allem non-formale Bildung befähigt, die eigene Lebenswelt im Kontext gesellschaftlicher und historischer Zusammenhänge begreifen zu lernen. Im Internationalen Jugendaustausch wird lokales und globales Handeln miteinander in Verbindung gebracht.

„Jugendverbände verfügen über umfangreiche Erfahrungen im Internationalen Austausch und der Internationalen Jugendpolitik problematisch ist, dass sie im politischen Diskurs gegenüber kommerziellen Trägern und (neu entstehenden) Stiftungen benachteiligt werden.

Leider sinken zudem seit Jahren die finanziellen Mittel für den Jugendaustausch im internationalen Kontext, weil zunehmend Staaten weniger Geld für Austausch bereitstellen. Mit dem Kinder- und Jugendplan bietet das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) nach wie vor ein starkes und verhältnismäßig einfaches Förderinstrument. Für Ehrenamtliche ist der lange Vorlauf bei der Antragstellung dennoch eine große Hürde. Ebenfalls verschlechtern sich die politischen Rahmenbedingungen von regierungsunabhängigen Partnerstrukturen im Ausland, beispielsweise weil selbstbestimmte und selbstorganisierte Jugendorganisationen als ausländische Agenten eingestuft werden, bei denen gerade die Etablierung nachhaltiger und fortdauernder Beziehungen oft nicht im Fokus steht.

Als Interessenvertretung junger Menschen lehnen wir kriegerisches Handeln ab. Wir kritisieren, dass militärisch aufgerüstet wird. Wir machen uns Sorgen, weil populistische und menschenfeindliche Parteien Einfluss gewinnen und die Regierungspolitik prägen – auch in einigen EU-Mitgliedstaaten. Aufgrund dieser Tendenzen braucht es ein Umdenken in der Außenpolitik. Wir brauchen bessere Rahmenbedingungen für das Engagement von Jugendorganisationen im internationalen Jugendaustausch und in der grenzenlosen Zusammenarbeit. Die Internationale Jugendarbeit ist im internationalen Bereich eine wichtige und kompetente Vermittlerin und Akteurin, da sie unabhängig von staatlichen Stellen agieren und bei den Beteiligten zur eigenen Meinungsbildung und kritischen Auseinandersetzung beitragen kann. Gerade in Ländern, in denen zurzeit die politischen Rahmenbedingungen nicht mit unseren Werten und Grundlagen übereinstimmen, sind Kooperationen und der Austausch mit Akteur_innen der Zivilgesellschaft zu suchen und zu pflegen.

Angebote internationaler Jugendarbeit müssen ausgebaut und mehr Jugendlichen zugänglich gemacht werden, dazu zählen insbesondere auch Jugendliche mit Fluchterfahrungen. Es gilt die europäische und internationale Perspektiven im Internationalen Jugendaustausch gegenüber rein nationalistischen Sichtweisen zu stärken. Wir setzen uns für Initiativen ein, die zur Intensivierung der jugendpolitischen Zusammenarbeit im internationalen Bereich und zum Ausbau des Jugendaustauschs innerhalb und außerhalb Europas führen.

Wir fordern:

  • Jugendorganisationen in der Auswärtigen Politik stärker einbeziehen. Jugendorganisationen als außenpolitisch wirksame Akteure können einen wertvollen Beitrag beim Abbau von Ressentiments und beim Aufbau von Beziehungen für gegenseitige Verständigung leisten. Die Gestaltung Auswärtiger Politik darf in Deutschland nicht von Wirtschaftsinteressen überlagert werden. Zivilgesellschaftliche Strukturen müssen verstärkt von der Bundesregierung einbezogen werden. Bei Staatsbesuchen müssen regelmäßig Vertreter_innen zivilgesellschaftlicher Jugendstrukturen einbezogen werden. Die Zivilgesellschaft darf kein schmückendes Beiwerk sein, sondern muss als Partner auf Augenhöhe gehört werden.
  • Mehr Anerkennung internationaler Jugendarbeit! Es gibt trägerübergreifend eine Vielzahl an Aktivitäten in der internationalen Jugendarbeit, die mit großem ehrenamtlichen Engagement und finanziellen Eigenmitteln umgesetzt werden. Es fehlt die Anerkennung und politische Wahrnehmung der bereits geleisteten Arbeit. Wenn es um die Gestaltung internationaler Jugendarbeit geht, wollen wir stärker einbezogen werden. Denn wir haben Erfahrung, Expertise, interessierte Jugendliche und Fachkräfte für diese Aufgabe. Die beste Anerkennung internationaler Jugendarbeit ist, sie durch bessere Rahmenbedingungen weiter möglich zu machen.
  • Bessere Rahmenbedingungen im Kinder- und Jugendplan! Internationale Jugendarbeit ist im SGB VIII als einer von sechs Schwerpunkten der Jugendarbeit gesetzlich verankert: dies erfordert auch eine entsprechende finanzielle Förderung. Wir brauchen eine bessere Mittelausstattung und mehr Flexibilität bei den Förderkriterien im Kinder- und Jugendplan, beispielsweise die Anerkennung von Kosten im Ausland. Wir fordern eine Vereinfachung in der Beantragung sowie Verwendung von multilateralen Jugendbegegnungen bzw. Jugendbildungsmaßnahmen und eine kontinuierliche Förderung dieser. Auch für den Auf- und Ausbau nachhaltiger, langfristiger Beziehungen, die zwischen den Ländern Brücken bauen, müssen ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Was mit Haushaltsmitteln anderer Bundesministerien möglich ist, sollte auch im Kinder- und Jugendplan möglich sein.
  • Jugendverbände in die Weiterentwicklung einbeziehen! Wir unterstützen Initiativen, die jugendpolitische Zusammenarbeit auf internationaler Ebene intensivieren, die zum grundsätzlichen Ausbau des Jugendaustauschs beitragen und auf Gegenseitigkeit beruhen. Die Weiterentwicklung der Internationalen Jugendarbeiten muss in Zusammenarbeit mit den Jugendverbänden geschehen und sollte nicht teuer an öffentlich-private Partnerschaften, an Stiftungen oder Unternehmensstrukturen ausgelagert werden.
  • Mehr politische Verantwortung in der Bundesregierung und im Deutschen Bundestag für Internationale Jugendarbeit! Wir fordern von der Regierung ein kohärentes Konzept für internationale Jugendarbeit. Mitwirkungsrechte, wie sie das KJHG vorsieht, müssen gestärkt statt außer Kraft gesetzt werden. Eine unübersichtliche Aufteilung der internationalen Aktivitäten im Jugendbereich hilft der internationalen Jugendarbeit und dem internationalen Jugendaustausch nicht. Der wenig transparente Flickenteppich unterschiedlichster individueller Förderprogramme und Verantwortlichkeiten für einzelne Länder und Themen schadet der Handlungsfähigkeit der Träger und der Wirksamkeit der Programme.
  • Internationale Jugendarbeit braucht Freiräume! Internationale Jugendarbeit darf nicht Regierungsinteressen dienen. Die Trägerautonomie muss respektiert werden, weil sonst die Gefahr besteht, dass der Jugendaustausch durch staatliche Strukturen vereinnahmt wird. Eine Verankerung in den Gesellschaften der Partner wird sonst nicht erreicht. Die Autonomie erleichtert gesellschaftspolitische Themen aufzugreifen, die möglicherweise im Partnerland tabuisiert werden. Grundlegend für eine nachhaltige Zusammenarbeit ist die Unterstützung und Förderung des Ausbaus von zivilgesellschaftlichen Jugendstrukturen in Ländern, in denen es keine Jugendarbeit gibt; oder sie mittlerweile aus finanziellen Gründen abgewickelt worden ist.
  • Alternative zu Jugendwerken! Der Begriff „Jugendwerk“ steht für eine herausgehobene Form der bilateralen Zusammenarbeit zwischen zwei Ländern. Derzeit werden parteiübergreifend und inflationär weitere Jugendwerke angeregt. Die Umsetzung dieser Pläne würde enorme Ressourcen binden, die an anderer Stelle fehlen. Mit Tschechien, Israel und Russland wurden bereits andere Formen der jugendpolitischen Zusammenarbeit umgesetzt - gerade, weil Jugendwerke hinsichtlich ihrer Förderkriterien nicht immer zur Arbeitsweise von Jugendverbänden passen. Diese Formen binden weniger Ressourcen, machen aber flexiblere Formen für eine Zusammenarbeit möglich und setzen diese erfolgreich um. Sie schaffen einen engen Kontakt zu zivilgesellschaftlichen Strukturen und binden sie vertrauensvoll in die Arbeit ein. Durch ihre Finanzierung aus öffentlichen Mitteln bleiben sie transparent, der Öffentlichkeit rechenschaftspflichtig und in ihren Entscheidungen verwaltungsrechtlich überprüfbar.
  • Geflüchtete junge Menschen berücksichtigen! Die Beteiligung von geflüchteten jungen Menschen am Austausch und die Förderfähigkeit von Menschen mit Fluchterfahrung müssen vollumfänglich ermöglicht werden. Alle Menschen sollen unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus im In- und Ausland reisen dürfen. Um das zu erreichen fordern wir die vollständige Abschaffung der Residenzpflicht sowie die Möglichkeit, unabhängig vom Aufenthaltsstatus im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe als Jugendgruppe im In- und Ausland zu reisen.
  • Visabarrieren müssen abgebaut und beseitigt werden! Komplexe Visaregime stellen Jugendgruppen vor erhebliche Herausforderungen im Austausch. Selbst im visafreien Jugendaustausch wachsen die Hürden, z.B. durchzusätzliche bürokratische und finanzielle Hürden. Wir fordern den Verzicht auf Bearbeitungsgebühren für Internationale Jugendaustausche und Verfahren zur Beantragung von Gruppenvisa für ohne die Notwendigkeit für eine persönliche Vorsprache aller Teilnehmenden. Der Jugendaustausch auf Gegenseitigkeit mit zahlreichen Ländern z.B. Staaten des afrikanischen Kontinents wird verhindert, da jungen Menschen generell eine fehlende Rückkehrbereitschaft unterstellt wird. Reisefreiheit muss für alle jungen Menschen erlebbar gemacht werden. Sie darf nicht durch Visabarrieren ausgebremst werden.
  • Mehr Dialog über die Zukunft Europas mit jungen Bürger_innen! In einem europäischen Rahmen muss bürgerschaftliches und nachhaltiges Engagement junger Menschen gesichert oder möglich werden. Deswegen muss Erasmus+ JUGEND IN AKTION ausgebaut werden, statt das EU-Förderprogramm etwa durch das 2017 beschlossene Solidaritätskorps zu schwächen. Der Bedarf für mehr Austausch ist da. Die Diskussionen um die Ursachen der angespannten wirtschaftlichen Situation in vielen Ländern förderten bislang eher Stereotype und Vorurteile, die zu spürbaren Spannungen zwischen den Gesellschaften führen. Ein Dialog bietet die Chance, sich mit der Idee Europas und den Ursachen der europäischen Krise sachlich auseinanderzusetzen.

Einstimmig bei zwei Enthaltungen beschlossen von der DBJR-Vollversammlung am 27./28 Oktober 2017 in Berlin.

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