Vollversammlung Jugendpolitik

Rente ist Jugendthema – Die gesetzliche Rentenversicherung solidarisch weiterentwickeln

Die Vollversammlung des Bundesjugendrings hat am 27./28.10.2023 die Position „Rente ist Jugendthema – Die gesetzliche Rentenversicherung solidarisch weiterentwickeln“ beschlossen.

Wir fordern die Weiterentwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung zu einer Erwerbstätigenversicherung, in der alle Personen, die erwerbstätig sind, einzahlen. Gleichzeitig gilt auch hier, mindestens die Hälfte der Beiträge müssen durch die Arbeitgeber*innen getragen werden. Die Arbeitgeber*innenanteile etwa bei Auftragsvergabe an Selbstständige übernimmt der/die Auftraggeber*in. Beim Übergang in die Erwerbstätigenversicherung darf Beamt*innen und anderen, die bisher nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert waren, kein Nachteil entstehen. Geeignete Übergangsregelungen müssen geschaffen werden. Eine Erwerbstätigenversicherung, in die alle Beschäftigten einzahlen, die mindestens hälftig durch Beiträge der Arbeit- oder Auftraggeber*innen finanziert wird und in der der Bund gesellschaftliche Aufgaben aus Steuermitteln bezahlt, stellt für uns den ersten Pfeiler einer gerechten, krisenfesten und solidarischen Rentenpolitik dar.

78 Prozent der jungen Beschäftigten (unter 35 Jahren) glauben, ihre spätere Rentenhöhe wird nicht oder gerade ausreichen. Selbst in Branchen, in den hohe Löhne gezahlt werden, machen sich junge Beschäftigte Sorgen um ihre Rente: Es muss also etwas faul sein im Rentensystem.[1]

Diese Sorgen sind nicht unbegründet: Die Netto-Standardrente vor Steuern (ugs. „das Rentenniveau“) betrug 1990 noch 55 %, 2023 ist mit einem Wert von 50,4 % zu rechnen.[2] Dies liegt daran, wie die Umlagefinanzierung im Rentensystem aktuell gestaltet ist: Die heutigen Beitragszahler*innen finanzieren die Rente der aktuellen Rentner*innen. Durch den demographischen Wandel steigt das Verhältnis von Beitragszahler*innen zu Rentenbezieher*innen seit Jahren an, trotz den höchsten Beschäftigungsquoten und obwohl die geburtenstärksten Jahrgänge noch keine Regelaltersrente beziehen.

Bisher gibt es keine faire Anerkennung von besonders körperlich und/oder psychisch schwerer Arbeit in der Rente: Wer schwer arbeitet, kann oft nicht bis zur Regelaltersgrenze arbeiten. Dies gilt im besonderen Maße auch für Menschen, die behinderungsbedingt nicht oder kaum arbeiten konnten. Wer dann wegen Erwerbsminderung früher in Rente geht, muss oft mit hohen Abschlägen rechnen. Dazu kommt, dass genau diese Beschäftigten mit besonders harten Arbeitsbedingungen oft weniger verdienen als Versicherte, die bis zur Regelaltersgrenze ihrem Beruf nachgehen können. Das trifft besonders häufig auch Frauen und Arbeiter*innen in den sog. SAHGE-Berufen (d.h. Soziale Arbeit, Haushaltsnahe Dienstleistungen, Gesundheit und Pflege). Dabei sind Frauen ohnehin schon strukturell von Altersarmut bedroht, sei es aufgrund von familiären Fürsorge-/Erziehungsverpflichtungen oder jahrzehntelangen Teilzeitbeschäftigungen.

Immer wieder versuchen verschiedene Akteur*innen einen Generationenkonflikt zu konstruieren. Davon distanziert sich der DBJR ausdrücklich. Gerechtigkeit ist für die junge Generation keine Frage zwischen Jung und Alt, sondern vielmehr eine Frage zwischen Arm und Reich. Wir sehen im bestehenden System der gesetzlichen Rente keinen Generationen-, sehr wohl aber einen (vergeschlechtlichten) Verteilungskonflikt. Zu niedrige Einkommen führen zu niedrigen Renten. Der Ruf nach niedrigeren Beiträgen heute schadet uns in der Zukunft, denn auf Beitragskürzungen folgen Leistungskürzungen. Ein späterer Renteneintritt oder noch geringere Renten sind aber nicht im Interesse junger Menschen.

Der DBJR fordert ein Rentensystem, dass sowohl Generationengerechtigkeit und Geschlechtergerechtigkeit als auch Verteilungsgerechtigkeit garantiert. Als Basis für eine krisenfeste und zukunftsfähige Rente sind deshalb notwendig: ein gerechteres Verhältnis von unternehmerischer Wertschöpfung und ausgezahlten Arbeitseinkommen, die höhere Besteuerung von Kapitaleinkünften und Unternehmen, die Anhebung des Spitzensteuersatzes, eine gerechtere Erbschafssteuer sowie die Einführung einer Finanztransaktionssteuer.

Umverteilte Mittel und Steuern dürfen jedoch nicht zum Wetten auf die Zukunft genutzt werden: Es ist vollkommen offen, ob bei der Anlage am Kapitalmarkt überhaupt Vorteile für die Versicherten entstehen oder im schlimmsten Fall nur Steuermittel verschwendet werden,[3] die für den gerechten Umbau unserer Gesellschaft dringend gebraucht werden. Deshalb fordert der DBJR, dass die sogenannte „Aktienrente“, sofern sie eingeführt wird, nur eine zusätzliche Ergänzung des umlagefinanzierten Rentensystems sein darf und zudem nicht aus öffentlichen Krediten finanziert wird.

Der Arbeitsmarkt verändert sich stetig. Selbstständige ohne eigene Beschäftigte nehmen in Deutschland rasant zu. Gleichzeitig steigt die Zahl derer, bei denen sich Phasen von abhängiger Beschäftigung und Phasen von selbstständiger Tätigkeit abwechseln. Für die Phasen, in denen sie abhängig beschäftigt sind, gilt die Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rente und für Phasen der Selbstständigkeit muss privat vorgesorgt werden (oder, bei freiwilliger gesetzlicher Versicherung, müssten alle Beiträge alleine gestemmt werden). Dies ist für eine moderne Rentenpolitik nicht mehr zeitgemäß.

Wir fordern die Weiterentwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung zu einer Erwerbstätigenversicherung, in der alle Personen, die erwerbstätig sind, einzahlen. Gleichzeitig gilt auch hier, mindestens die Hälfte der Beiträge müssen durch die Arbeitgeber*innen getragen werden. Die Arbeitgeber*innenanteile etwa bei Auftragsvergabe an Selbstständige übernimmt der/die Auftraggeber*in.

 

Bei 2 Enthaltungen und 9 Gegenstimmen beschlossen in der Vollversammlung am 28. Oktober 2023 in Berlin.

Die dbb-Jugend erklärt lt. § 14 (4) der Satzung des DBJR, dass dieser Beschluss gegen ihre Satzung oder Grundsätze verstößt. 

 

1 DGB-Index Gute Arbeit, Sonderauswertung Junge Beschäftigte 2023; im Erscheinen.
2 Das Rentenniveau zeigt die Relation zwischen der Höhe einer Rente (45 Jahre Beitragszahlung auf Basis eines durchschnittlichen Einkommens) und dem durchschnittlichen Einkommen eines Arbeitsnehmers/einer Arbeitnehmerin. Vgl. Deutsche Rentenversicherung.
https://www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Rente/Allgemeine-Informationen/Wissenswertes-zur-Rente/FAQs/Rente/Rentenniveau/Rentenniveau_Liste.html

3 Aktienrente - Wie Christian Lindner mit Aktien die Rente sichern will (deutschlandfunk.de)

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