Demokratie Jugendpolitik

Offener Brief der initiativeKJP

Die initiativeKJP wendet sich in einem offenen Brief an den Bundeskanzler, den Vizekanzler und den Finanzminister. Die Organisationen der Kinder- und Jugendhilfe betonen die Bedeutung der Förderung junger Menschen für die Demokratie und warnen vor den möglichen langfristigen gesellschaftlichen Kosten einer Sparpolitik.

Die initiativeKJP wurde 2023 vor dem Hintergrund drohender Kürzungen des KJP ins Leben gerufen. Ihr Ziel ist es, dieses zentrale Förderinstrument der Kinder- und Jugendhilfe auf Bundesebene langfristig und nachhaltig zu stärken. In der initiativeKJP sind sieben bundeszentrale Verbände zusammengeschlossen, die über den KJP gefördert werden.

Der offene Brief im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
sehr geehrter Herr Vizekanzler,
sehr geehrter Herr Finanzminister,


in diesen Tagen beraten Sie über den Regierungsentwurf für den Haushalt 2025. Sie tun dies unter schwierigen Voraussetzungen. Und es geht um viel. Für uns stehen dabei die Fragen im Mittelpunkt, in welcher Gesellschaft wir leben wollen und welche Rolle darin junge Menschen spielen.


„Demokratie lebt vom Selbermachen!“ – das haben Sie, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, beim Demokratiefest am 25.05.2024 ganz richtig festgestellt. Räume und Gelegenheiten, um Demokratie selbst zu machen und Gesellschaft aktiv mitzugestalten, bietet die Kinder- und Jugendhilfe – sei es in Jugendverbänden, in Sportvereinen, in Jugendzentren, in Bildungsstätten, bei internationalen Begegnungen, in Freiwilligendiensten oder in Selbstvertretungen jun-ger Menschen, die in stationären Einrichtungen aufwachsen. Nicht zuletzt die Ergebnisse der Europawahl zeigen, wie wichtig dieser Demokratiemotor ist und dass junge Menschen – nicht nur vor und nach Wahlen – ernst genommen und beteiligt werden müssen. Auch die u18-Wahl als Angebot politischer Bildung hat erneut gezeigt, dass junge Menschen ein hohes Interesse an politischen Entscheidungsprozessen und an der Mitwirkung darin haben. Und 92% der Kinder sagen laut Kinderreport 2024, dass es mehr Geld für die Kinder- und Jugendarbeit braucht, um die demokratischen Überzeugungen und Fähigkeiten bei jungen Menschen besser zu för-dern. In dieser krisengeschüttelten Gegenwart ist eine verlässliche Infrastruktur für (junge) Menschen umso wichtiger, um individuelle und gesellschaftliche Resilienz zu stärken. Dies haben Sie, sehr geehrter Herr Vizekanzler Habeck, im Gespräch mit den jungen Menschen der Jugendbeteiligung in Klimafragen am 15.04.2024 so artikuliert.

Gerade wird unter anderem über die für das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) zur Verfügung stehenden Mittel debattiert. Auch hier sollen strikte Kürzungen greifen, um die Schuldenbremse einhalten zu können. Da sich der Haushalt des BMFSFJ vornehmlich aus gesetzlichen Leistungen zusammensetzt, führen Sparvorgaben in dessen Haushalt zwangsläufig zu Einsparungen bei den für die Unterstützung zivilgesell-schaftlicher Strukturen essenziellen Programmtiteln des BMFSFJ. Damit würden auch die über den Kinder- und Jugendplan des Bundes (KJP) geförderte bundeszentrale Infrastruktur der Kinder- und Jugendhilfe sowie die Freiwilligendienste empfindlich getroffen. Nicht zuletzt mit Blick auf die Ergebnisse der Europawahl wäre dies ein folgenschwerer Fehler: Denn überall in Europa ist zu beobachten, dass ein Rechtsruck auch mit der Schwächung zivilgesellschaftlicher Strukturen einhergeht.

An den Leistungen und Angeboten für junge Menschen zu kürzen – all das paradoxerweise unter Verweis auf eine generationengerechte Haushaltspolitik – wäre zutiefst kurzsichtig. Deshalb bitten wir Sie, sehr geehrter Herr Finanzminister Lindner, gerade unter der von Ihnen artikulierten Prämisse der Generationengerechtigkeit nicht bei jungen Menschen zu streichen, zumal ein gleichbleibender Haushaltsansatz ohnehin schon einer Kürzung entspricht. Die gesellschaftlichen Folgekosten fehlender Investitionen in eine funktionsfähige Infrastruktur für junge Menschen wären deutlich höher als die jetzt erzielbaren Spareffekte. Wegbrechende Infrastruktur wird auch langfristig nicht ersetzbar sein und damit noch über Jahre hinaus Folge-kosten verursachen und die Demokratie schwächen. Hier ist gesellschaftlich viel mehr zu verlieren, als fiskalisch zu gewinnen ist. Wir warnen daher nachdrücklich davor, an den Zukünften junger Menschen den Rotstift anzusetzen.

Beim Demokratiefest haben Sie, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, auf die Frage nach Kür-zungen im Bereich Jugend gesagt: „Den Haushalt beschließen wir noch, aber ich sehe keine Gefahren!“ Wir verlassen uns daher auf Ihre Zusage!

Mit freundlichen Grüßen

Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ (Vorstand der AGJ e. V.)
Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten e. V.
Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e. V.
Bundesarbeitsgemeinschaft Offene Kinder- und Jugendarbeit e. V.
Deutscher Bundesjugendring e. V. – Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände und Landesjugendringe
Deutsche Sportjugend im Deutschen Olympischen Sportbund e. V.
sowie die weiteren Träger der GEMINI — Gemeinsame Initiative der Träger Politischer Jugendbildung
Arbeitsgemeinschaft der Ost-West-Institute e. V.
Arbeitsgemeinschaft katholisch-sozialer Bildungswerke in der Bundesrepublik Deutschland e. V. (aksb)
Bundesarbeitskreis Arbeit und Leben e. V. (AuL)
Deutscher Volkshochschul-Verband e. V. (DVV)
Evangelische Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung (et)
Verband der Bildungszentren im ländlichen Raum e. V. (VBLR)

Weitere Mitzeichnende
AFET - Bundesverband für Erziehungshilfe e. V.
Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden e.V.
Arbeiter-Samariter-Bund Deutschland e. V.
Arbeitskreis für Jugendliteratur e. V.
Bund der Jugendfarmen und Aktivspielplätze e. V.
Bund Deutscher Amateurtheater e.V.
Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz e.V.
Bundesarbeitsgemeinschaft der Kinderschutz-Zentren e. V.
Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendsozialarbeit e. V. (BAG EJSA)
Bundesarbeitsgemeinschaft für Haltungs- und Bewegungsförderung e. V.
Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) e. V.
BAG SELBSTHILFE. Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung, chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen e. V.
Bundesarbeitskreis Freiwilliges Soziales Jahr
bke - Bundeskonferenz für Erziehungsberatung e. V.
Bundesmusikverband Chor & Orchester e.V. (BMCO)
Bundesnetzwerk Ombudschaft in der Jugendhilfe e. V.
Bundesverband behinderter Pflegekinder e. V.
Bundesverband für Kindertagespflege e. V.
Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e. V. (bvkm)
Bundesvereinigung Lebenshilfe e. V.
Deutsche Esperanto-Jugend e. V.
Deutscher Musikrat
Deutsches Jugendherbergswerk e. V.
Deutsche Vereinigung für Politische Bildung e. V.
Evangelische Freiwilligendienste gGmbH
Förderverein der Gehörlosen/Hörbehinderten e. V.
FÖJ Bundesverband | Förderverein Ökologische Freiwilligendienste e. V.
Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK) e. V.
Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e. V. (IDA)
Internationaler Bund (IB) - Freier Träger der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit e. V.
Jeunesses Musicales Deutschland e. V.
Jugendhaus Düsseldorf e. V. - Bundeszentrale für katholische Jugendarbeit
Katholische Erwachsenenbildung Deutschland
Bundesarbeitsgemeinschaft e. V.
Kinderschutzbund Bundesverband e. V.
Musikkultur Rheinsberg
National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention
Naturfreunde Deutschlands e. V.
Pressenetzwerk für Jugendthemen e.V. (PNJ)
transfer e.V.
Vereinigung Junger Freiwilliger e.V.

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